Es war einmal eine saubere Zukunft: 2021 hatte Volvo als erster klassischer Autohersteller angekündigt, bis zum Jahr 2030 seine komplette Modellpalette auf vollelektrische Fahrzeuge umzustellen. Eine sportliche Ansage und damals ein gelungener PR-Coup – dem mittlerweile, wie bei fast allen Automarken mit ähnlichen Ambitionen, mangels wechselwilliger Kunden die Ernüchterung folgte, und schließlich eine Kurskorrektur. Auch über das genannte Jahr hinaus, so ist nun klar, wird es bei der schwedischen Tochter des chinesischen Geely-Konzerns weiterhin Hybridmodelle und damit Sprit-Verbrenner geben.
Autos also wie das mächtige, gerade frisch renovierte SUV XC90, das mit sieben Sitzen auch größere Familien und ihr Gepäck komfortabel befördert. Deutlich darüber positioniert Volvo indes den vollelektrische Bruder, den EX90. Dessen Basis bildet ein Hecktriebler mit 279 PS für 83.700 Euro. Dank der lässigen Überlegenheit des Batterie-Antriebs leistet der Fünfmeterwagen freilich bis zu 517 PS an vier Rädern.

Mit seiner geschlossenen Front und einer Neu-Interpretation der „Thors Hammer“ genannten LED-Scheinwerfer wirkt der Stromer moderner als seine Hybridbrüder. Das Cockpit bringt eine deutlich schmalere und schickere Digital-Anzeige für den Fahrer, der ja sowieso auf das Head-up-Display schaut. Der große Touchscreen im Tablet-Style in der Mittelkonsole übernimmt die meisten Bedien-Funktionen, und nutzt das Betriebssystem Android Automotive. Anstelle einer markentypischen Bedienoberfläche den weit verbreiteten Google-Look anzubieten, ist für eine Premiummarke allerdings eine mutige Entscheidung. Viele Fahrer werden aber wohl ohnehin ihr iPhone über das drahtlose CarPlay einspielen.
Auch der Power-Modus lässt sich, als einzige Alternative zur Normal-Fahrt, über den Screen aktivieren. Die Kraft und Souveränität, mit denen dieser große Wagen dann abzischt, gehört zu den beeindruckenden Erlebnissen der automobilen Welt. Ob von der Ampel weg, beim Beschleunigen auf die Autobahn oder beim Überholen auf der Landstraße begeistern vor allem die Allrad-Versionen mit bis zu 910 Newtonmetern Drehmoment ab null jederzeit mit schier unerschöpflichen Reserven. Eine derartige Kombination aus Raum, Komfort und Performance, wie sie der EX90 bietet, war vor Einzug der Elektromobilität schlicht nicht vorstellbar.
Der groß dimensionierte Akku mit gut 100 kWh Kapazität muss erst nach 580 Kilometern wieder geladen werden – soweit jedenfalls die offizielle Reichweite. Bei der Testfahrt im kalten Schweden lag der Wert bei gleichmäßiger Fahrt um 120 km/h etwa 20 Prozent darunter, was immer noch absolut tourentauglich ist.
Mit einer angemessenen Pausenzeit, seinem hochwertigen Interieur und dem üppigen Platzangebot empfiehlt sich der Volvo als elektrisches Familienfahrzeug auch für die große Reise – und für andere Angelegenheiten. Das adaptive Fahrwerk senkt sich bei flotter Autobahnfahrt um zwei Zentimeter ab, auf der anderen Ende vermag es sich um vier Zentimeter hochzupumpen, um bei Bedarf Rumpelwege zu meistern. Torque Vectoring gestattet derweil eine schärfere Gangart auf kurvigen Straßen. Und auch wenn die Hybridbrüder den Stromer weiterhin begleiten: Die Reise in die Zukunft macht im EX90 ganz zweifellos am meisten Freude.