Provisorien halten am Längsten – diese Lebensweisheit bestätigt sich gerade bei Automobilen. Genauer bei deren Elektrifizierung. Der Antrieb mittels Plug-in-System, also Verbrenner für Langstrecke plus Elektromotor zum innerstädtischen Pendeln, galt eigentlich als Übergangstechnologie. Sobald Stromer mit hohen Reichweiten und kurzem Ladezeiten glänzen, sollten diese teuren und schwere Halb-halb-Technologie eigentlich verschwinden. Nun wäre es eigentlich soweit, aber die Gefährte mit Tankdeckel und Ladebuchse sind populärer denn je.
Auch Autohersteller, die sich schon früh zur Elektrifizierung bekannt haben und dann auch zügig auf reine Stromer umstellen wollten, scheuen mittlerweile den Verlust konservativer Kunden mit Reichweiten-Angst, und bringen weiterhin PHEV (Plug-in-Hybrid Electric Vehicle) an den Start. Beispielsweise Volvo, die schwedische Vorzeige-Marke aus dem chinesischen Geely-Konzern: Das große, gerade überarbeitete SUV XC90 fährt zwar als reine Elektroversion EX90 vor, aber eben auch noch als Zwitter. Unter der Modellbezeichnung T8 AWD Plug-in Hybrid für 87.400 Euro bringt er eine Systemleistung von 455 PS an seine vier Räder – wobei es der Zweiliter-Vierzylinder auf bis zu 310 PS bringt. Der Elektromotor leistet maximal 145 PS, und schiebt den großen Wagen (nach WLTP-Norm) bis zu 89 Kilometer emissionsfrei voran.
Diesen Wert erreicht allerdings nur, wer sehr defensiv durch die Stadt trödelt. Und dafür ist dieser 5,03 Meter lange Siebensitzer nicht wirklich gedacht und gemacht. Der großzügige Innenraum mit seinen hochwertigen Materialien verleitet zur weiten Tour. Perfekt passt er, wenn sich fünf Reisende und ihr Gepäck auf die drei Sitzreihen verteilen, aber auch zu siebt reist es sich noch menschenwürdig. Der XC90 rollt komfortabel ab und bietet seinen Insassen ein entspanntes und komfortables Reisevergnügen.
Ist der Akku nach gut 60 Kilometern leergefahren, pendelt sich der Spritverbrauch auf der Autobahn auf gut sieben Liter auf 100 Kilometer ein, was für ein Fahrzeug dieser Größe sehr akzeptabel ist. Zwar können die Batterien durch Rekuperieren durch Bremsen und Segeln dann nicht mehr soviel Energie ansammeln, dass nennenswerte rein elektrische Strecken möglich wären – aber immer noch so viel, um beim Beschleunigen den Spritverbrauch zu dämpfen.
Laden lässt sich der Akku per Wechselstrom mit knapp sieben Kilowatt. Das ist gerade noch so viel, dass man während dem Einkaufen auf dem Supermarkt-Parkplatz für ein Kilometer nachladen kann, aber natürlich zu wenig, um auf großer Tour eine nennenswerte Reichweite zu erzielen.
Im reinen Elektromodus fährt sich der Wagen leicht und leise und lässt eine Ahnung von der Leistungsfähigkeit elektrischer Antriebe zu. Und auch wenn das Geräuschniveau des Vierzylinders, der sich bei Überland-Fahrten früher oder später brummend dazuschaltet, eher zurückhaltend bleibt: Eine kleine Komforteinbuße ist es doch.
Diese Einschränkung kennt der rein elektrische, optisch etwas modernere Bruder EX90 natürlich nicht. Dessen Angebot beginnt Basisversion mit Heckantrieb und 279 PS für 83.700 Euro – und schließt on Top als EX90 Twin Motor Performance, der 517 PS an alle vier Räder schickt.
So komfortabel, entspannt und gleichzeitig kraftvoll wie in diesem (leider 107.400 Euro teuren) Fahrzeug ist man nur mit wenigen anderen Fahrzeugen überhaupt unterwegs, und in keinem mit Verbrennungsmotor – was auch für den PHEV-Bruder gilt. Das gilt schon für die normale Fahrt. Wer dann noch über den großen Touch-Screen den Power-Modus aktiviert, erlebt eine Performanve und Souveränität, die in der Benziner-Ära schlicht nicht vorstellbar war. Beim Beschleunigen auf die Autobahn, beim Überholvorgang auf der Landstraße oder auch beim Ampelstart aus dem Stand begeistern bis zu 910 Newtonmetern Drehmoment mit gefühlt endlosen Reserven.
Der etwa 100 kWh speichernde Akku muss nach WLTP-Norm erst nach 580 Kilometern wieder geladen werden. In der Praxis liegt die Reichweite etwa zehn bis 20 Prozent darunter, was überaus praxistauglich ist. Dank schnellem Laden mit bis zu 250 Kilowatt bleiben die Pausenzeiten an der Ladesäule genau passend für eine Tasse Kaffee oder einen kleinen Snack und etwas Erholung.
Die Gründe, statt des Stromers zum Hybrid zu greifen, schmelzen also dahin. Wer vor allem in Mittel- oder Nordeuropa unterwegs ist, findet genau genommen gar keinen mehr – zumal der EX90 als heckgetriebene Basisversion für 83700 Euro zu haben ist. Nur wer mit seinem Auto bis tief in den Süden Europas vorstößt, fährt mit Benzintank womöglich besser. Und dass der XC90 auch für solche Touren geeignet ist, steht außer Frage.

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Voll Strom – oder nur ein bisschen
5.8.2025
4 Minuten