Größe ist relativ. Für einen Mini ist der Countryman deshalb ein ziemlich großes Auto. Für Island dagegen ist der vermeintliche Geländewagen ein Zwerg. Vor allem, wenn man mal runter will von der Ringstraße. Der Dacia Duster, der hier in Weiß den Leihwagen-Standard markiert, ist da das Mindeste und wer es ernst meint mit dem Abenteuer, der fährt Defender, G-Klasse oder Land Cruiser - und zwar gerne auf Ballonreifen.

Doch mit so einem Big Foot kann ja jeder einen große Klappe riskieren und abenteuerliche Pisten fahren. Mit einen Mini dagegen braucht es- Größe ist schließlich relativ – zumindest großes Selbstvertrauen oder je nach Perspektive Selbstüberschätzung, um sich zum Beispiel in die Westfjorde zu wagen. Denn so populär Island gerade bei der Jack Wolfskin-Fraktion sein mag, verirren sich hierher nur die hartgesottenen Outdoor-Fans, die auch bei einstelligen Temperaturen noch im Dachzelt schlafen und der Zivilisation auch sonst gerne den Rücken kehren. Schließlich liegt das letzte vernünftige Hotel, das Varmaland mit dem Gourmetrestaurant Calor, ein paar Stunden zurück und während die gut 1 300 Kilometer der Ringstraße zumindest seit dem Sommer 2019 durchgehend asphaltiert sind, gibt es hier noch große Stücke Schotter selbst auf den, nun ja, Fernstraßen - und Herausforderungen wie die F622.

Die gilt unter all jenen, die nicht als Pauschaltouristen nach Island fahren als eine der vielleicht gefährlichsten, auf jeden Fall aber spektakulärsten Straßen der Insel . Nicht nur, dass sie kaum breiter ist als unser Kleinwagen und nur alle paar Monate mal von einer Raupe planiert wird, wenn der örtliche Straßenwächter mal gerade nichts besseres zu tun hat. Sondern sie ist auf weiten Strecken auch direkt aus den Klippen geschält. Deshalb geht es auf der einen Seite senkrecht im Fels nach oben und auf der andern senkrecht nach unten ins Meer. Gut, dass hier so wenig los ist und das Risiko für Gegenverkehr deshalb gen null geht. Und die paar Schafe, die sich selbst hierhin immer wieder verirren, kraxeln besser als jede Bergziege in den Alpen und finden deshalb immer einen Ausweg.
Was die rund 60 km lange Svalvogur aber wirklich zur Horrorpiste machen kann, sind jene paar hundert Meter an der Spitze der Landzunge, wo der Weg plötzlich steil abfällt und die Overlander auf den Strand zwingt, was nur bei Windstille und bei Ebbe gelingt. Dort kämpft man sich dann über Schotter groß wie Fußbälle alle und sieht zu, dass man schneller wieder Land gewinnt, als die Flut kommt. Sonst geht es einem so wie jenen ahnungslosen Mietwagen-Touristen, deren weißer Pkw zur Abschreckung durchs Internet geistert - als Schrottklumpen, der nach sechs Stunden als Spiel der Wellen kaum wiederzuerkennen ist.
Und da soll der Mini rumkommen? Da habt ihr euch aber was großes vorgenommen, sagt Gudmundur, der hier als Guide sonst die wenigen Touristen über die berühmte Buckelpiste kutschiert und man weiß nicht so recht, ab es Anerkennung ist, die in seiner Stimme mitschwingt oder ob er uns einfach für verrückt hält. Aber ja, das ist für den Mini ein großes Vorhaben. Aber Größe ist schließlich relativ.

Deshalb gibts zur Kräftigung noch ein paar Rhabarber-Waffeln in Pingery, die mindestens genauso berühmt sind wie die F622, während sich der mini noch einmal seinen 64 kWh-Akku vollsaugt. Die Strecke hat zwar nur 60 Kilometer und selbst wenn die Reichweite von den 453 Kilometern in der Norm mit den groben AT-Reifen auf den Felgen, dem Reserverad auf dem Dach, dem strammen Gegenwind und den für einen Sommer auf Island fast schon kuscheligen drei grad auf kaum mehr als 200 Kilometer fällt, sollte das reichen. Aber sicher ist sicher. Deshalb schließlich sind auch Seil und Haken, Spaten und Spitzhacke und ein paar Sandbleche im Auto.
Dann hat der Akku seinen Höchststand erreicht, die Ebbe setzt ein und die Expedition beginnt. Ein paar Meter noch ist die Piste asphaltiert, dann geht sie in Schotter über und irgendwann kommt das Schild, vor dem sich hier alle Mietwagen-Fahrer fürchten und auf das sich alle Overlander freuen, weil sich hier die Spreu von Weizen trennt – „4x4 yes, Pkw no“ - und einmal mehr stellt sich die Frage, ob der Countryman jetzt ein SUV ist oder nicht.
Immerhin: Allrad hat er, schließlich ist es ein Cooper S mit zwei Motoren. Und auch wenn seine 313 PS hier genauso überflüssig sind wie die 180 km/h Spitzentempo, obwohl man auf der F622 streng genommen sogar 80 fahren dürfte, ist man für die knapp 500 Nm dankbar, die sofort anliegen, wenn der Fuß das Fahrpedal auch nur ein bisschen streichelt.
Zusammen mit den groben Stollen an den Reifen ist das eine große Hilfe wenn es über nasses Geröll und durch die kleinen Bäche geht, die hier die Piste kreuzen und danach im freien Fall ins Meer stürzen. Es hilft im weichen Lavasand und auf den schlammigen Steigungen, die es hinauf auf die Klippen geht.

Was dem Countryman dabei an Bodenfreiheit fehlt, das macht er mit Mut und Beständigkeit wieder wett. Klar, kratzt es bisweilen am Bodenblech und manchmal fühlt man den Felsen fast schon unter den Fußsohlen. Doch weil die Batterie gut geschützt ist und es anders als beim Benziner sonst keine empfindlichen Weichteile gibt unter der Gürtellinie rutscht und schlittert der Countryman zwar bisweilen, kämpft sich aber tapfer voran.
Selbst das zweite Schild, dass von einer Sperrung der Straße kündet, lässt die Abenteurer deshalb kalt - und mit relativ großem Mut rumpelt der Mini weiter über Stock und Stein - vorbei ein eingefallenen Farmhäusern und am Leuchtturm, nochmal durch ein paar Bäche und nochmal über Felsen - bis schon in Sichtweite des Strandes ein Bergrutsch das bisschen, nun ja, Straße gar vollends unpassierbar gemacht hat. Die Steine alle aus dem Weg zu räumen, das wäre eine Arbeit, die man selbst Sisyphus nicht zumuten möchte - und auch nicht den Gottheiten der Wikinger, die hier präsenter sind als die alten Griechen.
Gut, dass die F622 eine Rundstraße ist, und wenn es gegen den Uhrzeigersinn nicht klappt, dann vielleicht mit? Also geht es zurück nach Pingery ohne Stopp bei Waffeln und Wallbox, über den Bergrücken und wieder runter ans Meer. Versuchen wir es halt auf der Südroute nochmal.
Zwar beweist der Countryman ach da noch einmal relativ großen Mut und macht viel scheinbar Unmögliches möglich - aber auch hier ist kurz vor dem Strandabschnitt kein weiterkommen. Zu hart war der Winter und zu schwer waren die Stürme, als dass die Wellen vom Weg mich etwas übrig gelassen hätten. Wo es im letzten Sommer noch eine grobe Idee von Piste im Geröll gab, ist jetzt definitiv kein Durchkommen mehr. Egal mit welchen Auto, selbst auf Ketten konnte das kitzlig werden.

Natürlich ist die Enttäuschung erstmal groß. Wobei Größe ja relativ ist und sich die Stimmung deshalb schnell wieder hebt, als sich der Stolz über das Erreichte einstellt. Außerdem sind es noch fast 1 000 Kilometer zurück bis zur Fähre ganz im Osten der Insel und nur Weicheier nehmen dafür die Ringstraße. Und dass der Countryman die F622 nicht ganz geschafft hat, ist spätestens dann vergessen, wenn er über die nächste Schotterpiste pflügt und sich das nächste Abenteuer sucht. Es fehlt ja nur ein klitzekleines Stück- und Größe ist ja, das haben wir auf dieser Tour eindrucksvoll gelehrt bekommen, bekanntlich relativ.