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Copy Nothing!

2.6.2025
ME
Marcus Efler
3 Minuten

„Nichts nachmachen“ lautet der Schlachtruf von „New Jaguar“: Die britische Traditionsmarke bricht radikal mit ihrem Old School Image. Die Studie Typen 00 zeigt, wie ihre künftigen Elektroautos aussehen.

Stark, blau, breit: So steht das Auto, mit der die Marke Jaguar in die Zukunft fahren soll, auf seinen mächtigen 23-Zoll-Rädern. Noch ist der Type 00, wie er gerade in Paris, Stadt der Liebe und der Mode der Öffentlichkeit gezeigt wurde, eine Designstudie. Aber das Serienmodell, das schon nächstes Jahr anrollen soll, wird sich wohl nur in Details unterscheiden. Der wuchtige Auftritt des Fünfmeter-Mobils, die massive Frontmaske, die unanständig lange Fronthaube: Daran werden Auto-Fans sich gewöhnen müssen. Ob sie wollen oder nicht.
Ob speziell Jaguar-Fans das wollen, das gehörte seit einigen Monaten zu den meist diskutierten Themen in den sozialen Netzwerken. Vor allem in der TV- und Social-Kampagne, die ganz ohne Auto und Raubkatzen-Emblem auskam, sahen manche eine „woke“ Dämmerung der kultigen Marke heraufziehen. Wir wollen Achtzylinder, so der Tenor, und ihr zeigt uns androgyne Menschen?
Wahrscheinlich hat nie einer der quengelnden Kritiker und Hubraum-Heroen je einen „Jag“ besessen, oder vor, demnächst einen zu kaufen. Sie kämpfen für die Käufer der Marke – und werden paradoxerweise so selber „woke“, also achtsam und rücksichtsvoll. Denn Jaguar-Kunden sind mittlerweile eine Minderheit, eine bedrohte Art.

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„Mit dem, was wir bisher gemacht haben, ging es nicht mehr weiter“, gibt ein deutscher Sales-Manager zu. Die Verkaufszahlen des Elektro-Modells i-Pace sowie der Verbrenner fielen kontinuierlich, zwischen teuren Premium-Marken und schicken, aber preiswerteren Autos von Volumen-Herstellern fanden die Briten, die zum indischen Tata-Konzern gehören, immer schwieriger ihren Platz. In einem radikalen Schnitt stoppten sie die Produktion, verkaufte gerade noch den Bestand ab, und drückte bei Modellprogramm und Image die Reset-Taste.
Wobei Designer und Manager sich eigentlich in der legitimen Fortschreibung der Jaguar-Tradition sehen. Schon der ikonische E-Type sei schließlich ein Bruch mit den vorherrschenden Konventionen gewesen, ein “Copy Nothing” der Sixties. Damals progressiv in Design und Technik, heute ein Kern der Tradition.
Aber damals gab es auch noch keine sozialen Netzwerker, die sich als Geschmackspolizei aufspielten, der E-Type konnte seinen Reiz ungestört entfalten. Der Type 00 und die Image-Kampagne zu New Jaguar dagegen kommen mit Wucht über alle Kanäle in die Welt, die Kritik an ihnen ebenso.
Den Jaguar-Verantwortlichen ist durchaus klar, dass sie auf ihrem Weg in die Zukunft ihre letzten noch treuen Kunden eventuell verprellen. “Wir nehmen natürlich so viele wie möglich mit”, erklärt Jaguar-Chef Rawdon Glover, aber beschwört auch: “Wir müssen Neue ansprechen”.
Diese bekommen einen 2+2-Sitzer, einen Grand Tourismo, der wohl mindestens 150.000 Euro kosten wird. Und sich so dem Preiskampf gegen BMW und Co. nach oben weg entzieht, der bisher Image und Umsatz ramponierte. 1.000 PS sind für die Serienversion angepeilt, und ein gleichsam luxuriöses wie reduziertes Interieur. Ob die Fahrer tatsächlich kein Dashboard bekommen, sondern ausschließlich aufs Head-up-Display gucken sollen wie im Prototypen, ob es wirklich keine Heckscheibe gibt ähnlich dem Polestar 4, und keine mechanischen Außenspiegel, das bleibt abzuwarten.

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Sicher ist allerdings schon jetzt: Der knurrende Raubtierkopf als Emblem stirbt. Bleiben darf der “Leaper”, der springende Jaguar im Seitenprofil. Er ziert, gefräst in metallisches “Brass” als einzigem Bruch der matten Lackierung in “French Ultramarin”, die ausfahrenden Seiten-Cams.
Alles ganz anders also als bei den bisherigen klassisch gerundeten, konventionellen Modellreihen vom XJ und Co. Nämlich “überschwänglich, zwingend, modernistisch”, wie Designer Adam Knowles erklärt. Wie immer man dazu auch stehen mag: Jaguar hat begriffen, dass jetzt, an der Schwelle zum elektrischen Auto-Zeitalter, wohl der einzige Zeitpunkt ist, an dem eine solche Totaloperation am Markenauftritt gelingen könnte. „Disruption und neue Konkurrenten erfordern große Schritte“, ist Chef Rawdon Glover überzeugt. Anders ausgedrückt: „Jaguar bleibt relevant oder verschwindet.“
Marcus Efler
www.jaguar.de